Freunde des Romans…

12. Januar 2012 Kommentare deaktiviert für Freunde des Romans…

…Roman C. liest wieder.
Und zwar am 26.01.um 19Uhr
im Neuwerk 11 der Kunststiftung in Halle.
Sara Möbius lädt Roman C.
im Rahmen ihrer Diplompräsentation
und Ausstellung zu literarischen
Streifzügen „über Eck und über Schein“
ein….
Eintritt ist wie immer frei!

Wer mehr erfahren möchte, lese hier:
http://www.sara-moebius.de/aktuell-up-to-date.html

Freunde! Ein Schrei schallt durch Plagwitz!

2. Mai 2011 Kommentare deaktiviert für Freunde! Ein Schrei schallt durch Plagwitz!

Es ist wieder soweit, ein neuer erster Dienstag im Monat.
Diesmal lädt Roman C. am 3.Mai wieder in die besten und seltsam seltsamsten Gefilde ein, es wird sich warm gejoggt ab 21Uhr und kurze Zeit später wird es dann den Startschuss geben. Prosa und Lyrik für den gemeinen Bildungpöbel!
Und es wäre nicht nur großartig, wenn ihr zahlreich erscheint, weil Roman C. nun endlich wieder vereinigt ist und mit all seinen Armen und Beinen auftritt, sondern auch, weil es etwas zu feiern gibt.
Was wird noch nicht verraten. Aber: Show Must Go On!
So ein Tag, so wunderschön wie morgen, so ein Tag soll nie zu Ende gehen!
Euer Roman C.

Poetisches

7. April 2011 Kommentare deaktiviert für Poetisches

Von Lutzi Luise Lu

Das Leben

Was ist das?

Gekommen aus dramatischen Untiefen

Aufgestellt, mit Sonne im Rücken

Und freiem Blick auf den Horizont

Unendlichkeit einatmen bis zur Hälfte

Und dann-

Und dann Endlichkeit ausatmen bis zum Schluss.

Morgen darf es vorbei sein.

Auf einem rosaroten Drahtseil balancieren

Und selber ein Akt sein.

Sich in-szen-ieren!

Rauh und grobkörnig jeden Tag die Augen öffnen

Oder

Pudrig-sanft auf den Boden stampfen

Darauf Acht geben, dass noch alles sitzt,

dass deine Blöße bedeckt bleibt,

nur

um sie zu entdecken

und nackt und strahlend in der Mitte des Raumes zu tanzen!

Gewerbeunzucht

7. April 2011 Kommentare deaktiviert für Gewerbeunzucht

Von Lutzi Luise Lu

Als ich ein kleines Mädchen war, musste ich immer an Frauen denken, die auf einer Linie hin und her balancierten, wenn ich den Ausdruck  „Straßenstrich“ hörte. Ich wusste natürlich nicht ganz genau, was das sein sollte, konnte mir aber vorstellen, dass es irgendwas ekliges mit „Küssen und so“ war und fragte deswegen bei meinen Eltern nicht weiter nach.

Als dann wenig später der Ausdruck „Bordsteinschwalbe“ in meinen Wortschatz eintrat, war ich mir ziemlich sicher, dass diese Frauen nicht nur auf einem Strich balancierten, sondern auch wagemutig an der Kante des Bordsteins standen und schwankend versuchten, ihr Gleichgewicht zu halten.

Noch ein paar Jahre später, abends in meiner Heimatstadt, jung und betrunken, spazierte ich mit ein paar Freunden durchs (für uns damals legendäre) Rotlichtviertel. Das Viertel war weniger ein Viertel als vielmehr eine gut abgeschottete und schnöde Straße, am Kopf- und Fußende mit Eisentoren verschlossen, die mit Warnschildern versehen waren. Eintritt nur ab 18 und auf eigene Gefahr. Oder so ähnlich.

Ich war damals ein bisschen aufgeregt, denn man hörte ja so mancherlei über die „Bruchstraße“, so der offizielle Name. Das z.B., wenn ich als junges Mädchen dort allein hindurch spazierte, ich mit Tomaten und Eiern beworfen werden würde. So war zumindest die einhellige Meinung meiner männlichen, ebenso pubertären, Freunde, und so legte einer ungeschickt seine Arme um mich herum, damit es auch schön echt nach verliebten Pärchen aussah. Bescheuerte Idee, aber genau das waren wir damals, bescheuert.

Heute denke ich, dass sich die Jungs damals nur nicht nehmen lassen wollten, mich offiziell betatschen zu dürfen, aber das ist nun auch nur so dahin gesagt. Der Gang durch die links und rechts von Puffs, Freudenhäusern, Kneipen und Salons geschmückten Straße war eher unspektakulär. Ja, es gab Frauen die mit Plüschkrempel bekleidet im Schaufenster auf ihre Freier warteten, aber wir konnten unseren voyeuristischen Durst nicht stillen und Zeuge von Live-Sex werden noch holten sich betrunkene geile Männer an die Hauswand gelehnt einen runter. Schade. Nach ein paar Minuten kamen wir auf der anderen Seite wieder heraus. Ich unversehrt und ohne Tomatenflecke versuchte mich sogleich aus der Affenumklammerung meiner Kumpels zu lösen und so landeten wir doch nur wieder im Park und tranken Bier.

Ungefähr zu dieser Zeit musste mir auch das Lied der Spider Murphy Gang zu Ohren gekommen sein. „Skandal im Sperrbezirk“. Ihr wisst schon: In München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus, damit in dieser schönen Stadt, das Laster keine Chance hat.

[Doch jeder ist gut informiert, weil Rosi täglich inseriert; und wenn Dich deine Frau nicht liebt, wie gut das es die Rosi gibt. Und draußen vor der großen Stadt, stehen die Nutten sich die Füße platt. Skandal im Sperrbezirk, Skandal im Sperrbezirk, Skandaaaaal! Skandal um Rosi!]

Wahrscheinlich lief dieses Lied auf den damals zahlreichen und unsäglichen Familienfeiern, aber zumindest brachte es mich zum Nachdenken. Denn die Strophe: Und draußen vor der großen Stadt, stehen die Nutten sich die Füße platt!, erregte mein Mitleid. Scheint ein hartes Pflaster zu sein, das älteste Gewerbe der Welt.

Zwei Jahre nach meinem Gang durch das Rotlichtviertel hatte ich meinen ersten Freund, und der lebte in Hamburg. Auch dort musste ich selbstverständlich meine Prostitutionsneugier stillen und da man auf der Reeperbahn nicht nur Olivia Jones trifft, zahlreiche Kneipen und Bordelle, sondern auch hervorragende Techno-Parties, hatte ich genügend Anlässe, meine Rechercheambitionen in Sachen „Bordsteinschwalbe“ zu  vertiefen.

Da standen sie, mit kleinen Bauchtaschen und ledernden  Schiebermützen und ich kam mir immer so unglaublich brav und bieder vor, wenn ich an ihnen vorüberschritt um im nächsten McDonalds aufs Klo zu gehen.

Wiederum mehrere Jahre und etliche Umzüge später fand ich mich in Leipzig wieder. Auch hier ist das älteste Gewerbe der Welt ansässig und auch hier gibt es einen Straßenstrich. Der befindet sich westlich vom Hauptbahnhof und der Name der Straße wird hier aus Datenschutzgründen nicht genannt, denn wie es das Leben so will, wohne ich genau in dieser Straße, vis-a-vis der Ecke, wo die Nutten sich die Füße platt stehen. Leider ist dieser Anblick ziemlich erbärmlich und trostlos, denn man sieht den relativ jungen Frauen ihr hartes Leben an,  ihre Gesichter sind grau, die Ringe unter den Augen dunkel und die Männer, in deren Autos sie steigen mehr als widerwärtig.

Trotz aller brachialer Realität oder gerade wegen ihr, hat meine Faszination des Phänomens Prostitution nicht abgenommen.

Da zeigt sie sich wieder, die Medaille mit ihren zwei Seiten…

 

 

 

Havana Club

7. April 2011 Kommentare deaktiviert für Havana Club

Von Lutzi Luise Lu

Ich habe Ernst letzte Nacht getötet. Ihn einfach ausradiert und weggestrichen. Zu aller erst war es kompliziert und ermüdend und ich befürchtete einen zähen Todeskampf, in dem ich zu hinterlistigen Taten und zwielichtigen Mitteln greifen müsste. Dann ging es aber zu meiner großen Überraschung ganz leicht, innerhalb weniger Augenblicke hatte ich ihn niedergerungen und probierte verschiedene Siegerposen aus, bis ich mich für meinen Fuß auf seiner Brust entschied. Und mich im Blitzlichtgewitter badete.

„Da liegt er! Leblos, platt, mit geschlossenen Augen“, riefen die Leute und zeigten halb verwundert, halb begeistert mit dem Finger auf mich und Ernst. Adrenalin und Endorphine teilten sich meine Blutbahn und rauschten durch meinen Körper, meine Augen mussten vor Übereifer und Stolz funkelnd geglänzt haben. Ich sog an dem schwarzen Strohhalm meines völlig überteuerten Cuba Libre und fühlte mich sehr frei. Ich rauchte viel zu viele Zigaretten  – Liberté toujours-  und ließ mich vom Takt der wummernden Bässe dazu hinreißen, laut „Jawoll!“ zu schreien.

Da lag er unter mit, klein und gekrümmt. Sein Körper war noch warm. Aber nicht mehr lange, dann würde alle Energie aus ihm heraus geflossen sein, heraus aus dem Ernst des Lebens und er würde sein Zepter weiterreichen müssen. Und die Menschheit hätte keine Ausrede mehr, warum sie so massenhaft zur Depression neigt, die Welt wäre nach Ernst´s Verschwinden ein besserer Ort, denn ich habe letzte Nacht den Ernst des Lebens getötet!

Roman C. und der Optimismus

4. April 2011 Kommentare deaktiviert für Roman C. und der Optimismus

Welch ein Motto! Es ist tatsächlich sowas ähnliches wie Frühling geworden und das nach Eiszeit, Erdbeben und Atomkraft.

Roman C. lädt nun wieder einmal zu einer aufregend gemütlichen Leserunde ein, mit Getränken von der Bar, kalt und gut wie immer, mit Keksen und Kerzen und vielen anderen optimistischen Buchstabensalaten.

Vielleicht gibt’s am Ende ein Rätsel, vielleicht aber auch wieder spontan inspirierte Gastleser.

Hereinspaziert und froh gehört! Es wartet und liest

Euer Roman

Wann? 5.4. ab 21h

Wo? Beim Dr. im Wartezimmer

Wie? Per Spende oder hübschem Antlitz

Roman C. – Tante Manfred ruft…

8. März 2011 Kommentare deaktiviert für Roman C. – Tante Manfred ruft…

Dramatisch!

Roman C. folgt der Einladung eines sehr feinen Theaters im Leipziger Westen und lädt alle seine Freunde herzlich ein, ihn zu begleiten:

Verdammt nochmal mit einem Lächeln – Das Leipziger Autorenensemble Roman C. trifft Tante Manfred.

Eine Premiere: Tante Manfred, unsere gastfreundliche Foyer-Kneipe, feiert ihr erstes Gastspiel. Vorglühen für die Buchmesse heißt es am 10. März um 21.00 Uhr, wenn das Leipziger Autorenensemble Roman C. die Lesebühne unserer Trinkhalle beehrt. Schöne Menschen, neue Texte und korrekt gekühltes BIER-Bier.

Die freudige Zusammenkunft der beiden findet am Donnerstag, d. 10. März 2011, gegen 21 Uhr im Neuen Schauspiel Leipzig, in der Lützner Straße 29 statt.

Roman C. – Stetige Wiederkehr

27. Februar 2011 Kommentare deaktiviert für Roman C. – Stetige Wiederkehr

Sonne atmen.

Alte Freunde kehren zurück. Die lichten Reihen schließen sich und Roman C. lädt ein zum träumen: In gewohnter Umgebung, mit neuen Gesichtern und frischen Ideen.

Roman C. freut sich diesmal sehr, neben seinem Freund Michael Schweßinger, einen neuen Gast begrüßen zu dürfen, der in Zukunft hoffentlich des Öfteren mit ihm das Mikrofon teilen wird. Näheres wird allerdings – in gutem Glauben an einen anderen Freund – erst während der Lesung verraten.

Die Zutaten bleiben ansonsten die gleichen: eine pittoreske Herberge am Hafen, ein etwas mürrischer Kapitän, ein Shanty-Chor aus engelsgleichen Kehlen (hohoho) und ’ne Buddel voll Rum.

Das Vorsingen findet am Dienstag, den 01. März 2011, im WerkstattCafé Seltsam, in der Merseburger Straße 25, statt und beginnt, wie gewohnt, gegen 21 Uhr.

Wie immer gibt es auch diesmal wieder die Möglichkeit, als Gastleser selbst etwas zum Besten zu geben.

Und nicht vergessen: Roman C. liest an jedem ersten Dienstag des Monats im WerkstattCafé Seltsam.

Quid pro quo

22. Februar 2011 § Hinterlasse einen Kommentar

Von Lutzi Luise Lu

Hier links siehst du den weißen Fleck in Farbe. Hier links, dass ist ein Land für Schweine. Verschwunden, verschluckt. Ich zeig es dir.

Ja, bleib lieber im Bus sitzen, nicht das sie doch noch angrunzen oder dich mit in den Dreck ziehen.

Fotografieren ist in Ordnung, aber ohne Blitz, du weißt ja, das regt sie nur auf, die Schweine.

Sie sind sehr zurückhaltend, fast panisch, wenn sich Fremde nähern oder wenn jemand die Borsten anders frisiert hat, außerdem legen sie großen Wert auf ihre Vorfahren und auf deren Leben.

Ich glaube, sie nennen das Kultur.

Ja, zum Lachen, ich weiß, wenn man sie so sieht, die lieben Kleinen. Aber die Welt lässt sie in dem Glauben, dass sie ganz großartige Dichter und Denker sind.

Vorwärts immer, rückwärts nimmer, so wars doch, nicht wahr?

Fütter sie lieber nicht! Die Schweine versuchen, ihre Essgewohnheiten möglichst rein zu halten. Jaja, mit der Reinheit, da hatten sie schon immer so ihre Probleme, oder ihre ganz eigenen Vorstellungen.

Heute denken sie wirklich, der Rest der Welt hätte ihnen verziehen und das damals nicht alles schlecht war. Erst Nürnberg und dann kam Konrad, der Gute, und außerdem hatte man ja keine Zeit, sich um so lästige Details zu kümmern.

Selbst ihr Plan der Stadtguerilla ist gescheitert. Die sind so verdammt konservativ, diese Schweinemassen, diese Massenschweine.

Das ist schon ein wundersames Land. Ein Riesenspaß, wenn man so aus dem Fenster schaut…ach, warte! Wie gut, dass wir hier lang fahren.

Da vorne steht ein Zaun. Mit einem Kontrollschwein. In Unterhemd, mit Fettfleck, das ist ihre Uniform. Manche nennen das Bürgerwehr. Gegen Fremdlinge. Soll gut sein, sagen sie und verteilen sich gegenseitig kleine Wimpel beim Frühschoppen.

Wie bitte? Du möchtest auch mal die Ferkel sehen? Da gibt es verschiedene Gruppen von Ferkeln, die sogenannten  Freundeskreise. Verrückt sind die. Fast so schlimm wie ihre Großeltern. Ja, da werden Neuankömmlinge erst einmal gar nicht willkommen geheißen oder nur sehr zögerlich. Man ist ja schon so eingeschworen. Da kann man nichts machen. Ein Schwein ist ein Schwein ist ein Schwein.

Und schau mal, da! Mach schnell ein Foto. Ein Yuppie-Schwein, auf dem Weg zur Bank. Aber Yuppie sagt man nicht mehr. Ist veralteter Slang.

Die Neoliberalen sitzen in der Regierung, hier, im Schweineland. Aber da ja sowieso nur selten gelacht wird, fällt gar nicht auf, dass es jetzt noch weniger zu lachen gibt.

Aber, falls du doch mal in ein Gespräch mit einem der Schweine verwickelt wirst, pass gut auf. Die tun alle sehr politisch korrekt.

Und wenn sie es nicht tun, dann nur, weil sie politische Korrektheit für überholt halten und alles ganz anders sehen wollen und sich mit tausend Theorien vollstopfen, in ihren Universitäten.

Die Schweinchen haben doch tatsächlich ein Bildungsideal. Aber wie das mit Idealzuständen so ist, bleiben immer unerreicht.

Jaja, mein Freund, ich sage dir: Wait! We can´t stop here, this is pig country! Lass uns von diesem Ort verschwinden.

Nimmermehr gesehen

22. Februar 2011 § Hinterlasse einen Kommentar

Von Lutzi Luise Lu

Und so gingen sie dahin, nahmen sich an den Händen und drehten sich nicht mehr um. Nie mehr. Sie dachten, sie wären Bruder und Schwester, oder sie wünschten sich es, aber genau sagen konnte dies niemand. Sie gingen geradeaus in das Nichts hinein. Das Nichts ist die Abwesenheit von Allem. Wenn sie ganz still waren, dann konnten sie das Nichts hören, es schmecken, es riechen. Es war wie zwischen den Zeilen lesen. Eigentlich ist da nichts, aber in der Fantasie wird es lebendig und fängt an zu atmen. Bruder und Schwester hatten Angst, sie verließen ihre Heimat und wussten nicht, was das Leben für sie noch bereit halten sollte. Sie hatten in ihrem kurzen Kinderleben schon ausreichend erlebt, um genug zu haben vom ständigen rhythmischen Wechsel von Tag und Nacht, vom Tod und von Wiedergeburt, vom Kreislauf des Lebens. Ein Blick in ihre Augen ließ erschauern, da war so viel Tiefe und Abgrund, wie man es sonst nur im Gesicht alter und verbitterter Menschen zu erblicken vermag. Nun war es dunkel geworden und die Schwester nahm ihren kleinen Bruder fester an der Hand und zog ihn ein Stück näher zu sich heran. Er zitterte, aber dann straffte er sich innerlich und schritt weiter tapfer voran. Sie hatten nicht vor, stehen zu bleiben, zu ruhen um essen und trinken zu können, bis sie nicht vor Erschöpfung von allein umkippten.

Ihr Heimatdorf war vom erneut ausbrechenden Bürgerkrieg verwüstet worden. Die Bewohner ihres Landes waren wütend, ihre Gedanken waren vom Zorn vergiftet und ihr Wille von Opiaten gebrochen. Es scherte sie nicht mehr, ob sie ihren Feind oder ihren Freund umbrachten, es war ihnen egal, ob sie durch ihre Angriffe auf die Schergen des Präsidenten mehr Opfer in den eigenen Reihen hervorbrachten, als es den Unterdrückern schadete.

Mit dem Zusammenbrechen des letztens Hauses in ihrem Dorf waren Bruder und Schwester ohne ein weiteres, kräftezehrendes Wort zu wechseln in die Verlassenheit der Welt hinaus gewandert. Der Bruder musste seine Holzfiguren zurück lassen, die er mit seinem Vater geschnitzt hatte und die Schwester rieb sich während der ersten Stunden ihres Weges immer wieder mit dem linken Handrücken über den Oberschenkel, da, wo Brandnarben von ausgedrückten Zigaretten ihre Haut entstellt hatten. Mit dem Verlassen des Dorfes löschten sie ihre Erinnerungen an all die vergangenen Ereignisse, die bis vor wenigen Monaten stets eine gesunde Mischung aus Sorge und Freude waren. Ihre Heimat war verschwunden, das Dorf  brannte, die Straßen waren leer, und alles, was es zu entdecken gab, war ein Nichts.

Mit ihren Erinnerungen löschten sie auch ihre Gefühle, denn so viel wussten sie, dass Gefühle in einer solchen Welt kein weiser Ratgeber und schützender Begleiter waren. Sie hatten sich gegenseitig, der kleine Bruder hatte die große Schwester und die große Schwester hatte den kleinen Bruder. Neben den Kleidern an ihrem Leib war das alles, was ihnen blieb.

Welch schmerzhaftes Erlebnis das Verschwinden eines Ortes war, wussten die beiden nun. Sie hätten allzu gern darauf verzichtet. Ihre müden Körper bewegten sich automatisch vorwärts, der letzte Schluck Wasser war getrunken, die Kekse waren seit Tagen aufgegessen und geruht hatten sie immer noch nicht. Doch es gab ein Ziel. Die Schwester hatte es in der Schule kennengelernt, die Lehrerin hatte es ihren Kindern auf einem Foto gezeigt. Ein Ziel, das ein Traum bleiben würde, für so viele Menschenseelen und trotzdem war das Foto begeistert betrachtet und befühlt worden, als es durch die Sitzbankreihen des kleinen Klassenraumes gereicht wurde. Die große Stadt, hatte die Schwester es raunen hören und ihre Sitznachbarin begann verhalten zu kichern, als sie auf das Abbild blickte.

Er kam zu einer Unzeit und zog beide Kinder in das manifestierte Nichts, in das Universum, in das Nirwana, in den Himmel, in die Hölle. Er jagte sie erst ein paar Stunden und trieb ihre klopfenden Herzen unbarmherzig vor sich her. Er, der Tod, kam immer zu einer Unzeit. Schließlich sanken Bruder und Schwester zu Boden, nicht theatralisch mit lautem Geseufze, sondern still und wie in einem Stummfilm lautlos grotesk.

Wenn man einen Ort auslöscht, löscht man Menschenleben aus. Ein verschwundener Ort nimmt Leben mit sich, frisst Atmen und Blut auf, erstickt Lachen und skalpiert Liebe.

Wenige Tage nach dem das letzte Haus in sich zusammen fiel, verschwanden auch Bruder und Schwester und waren nimmermehr gesehen.